In der Gegenwart ist der Musikpavillon Klingenthal als Veranstaltungsort wichtiger denn je: Während der weltweiten Corona-Pandemie bietet er den Bürgern und Gästen der Musikstadt einen Ort der Begegnung, des Vergnügens und der Entspannung. Das Sachgebiet Kultur und Tourismus organisiert unter den besonderen Bedingungen der Hygiene-Verordnungen im Rahmen der Reihe „Kultur on Tour“ zahlreiche Veranstaltungen, welche auch im halbrunden Säulenbau im Stadtpark am Markt stattfinden.
Dass es den Musikpavillon gibt, geht auf eine Initiative des Nationalen Aufbauwerks der DDR zurück. Die Konzertreihe im Klingenthaler Musikpavillon gibt es seit 9. Juni 1957. Ein Plakat aus dem Fundus des Musik- und Wintersportmuseums Klingenthal hat den historischen Beginn präzise festgehalten:
Ein Jahr hatten die Bauarbeiten gedauert, bis das Stadtorchester in seinen damals noch zwei Besetzungsvarianten den Musikpavillon klangvoll einweihen durfte. Die Bauarbeiten am Rand des Marktplatzes hatten im Frühjahr 1956 begonnen. Damals halfen auch Bürgerinnen und Bürger ehrenamtlich im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes (NAW) bei der Errichtung mit. Das NAW rief in der gesamten DDR damals für Bauten im Sinne des Gemeinwohls zum Aufbaudienst auf. Die geleisteten „Aufbaustunden“ wurden mittels Klebemarken entlohnt, für die es schließlich Urkunde und Abzeichen gab. Die gesetzlich vorgeschriebene Bauplanung und die Materialbeschaffung wurden von der Stadt Klingenthal koordiniert. Das Plakat des Eröffnungskonzerts ist im Fundus des Musik- und Wintersportmuseums erzählt: „Am Sonntag, dem 9. Juni 1957 (1. Pfingstfeiertag) Übergabe des Musikpavillons an die Einwohnerschaft mit Unterhaltungsmusik des Streichorchesters (Leitung Alfred Wolf) und des Blasorchesters (Leitung Georg Körner).“ Der Eintritt war frei, ein Programmzettel kostete 30 Pfennig.
Während die Fläche des Marktplatzes von seiner Fertigstellung 1901 bis heute grundsätzlich erhalten geblieben ist, erfuhr das benachbarte Gelände erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts deutliche Veränderungen. Aus einer von großen Laubgehölzen dicht bewachsenen Wiesenfläche mit angrenzenden Gärten der umliegenden Wohnbebauung wurde schließlich ein Stadtpark mit vielseitiger Nutzung.
Fast aber wäre kein Platz für den Musikpavillon gewesen. Denn 1940 wurde das Gelände des heutigen Stadtparks für ein Gemeinschaftshaus der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) verplant. Wahrscheinlich verhinderten die folgenden Jahre des 2. Weltkrieges die Errichtung des monströsen Gebäudekomplexes, dem auch die umliegende Wohnbebauung hätte weichen müssen. Spätestens mit dem Ende des Dritten Reiches am 8. Mai 1945 geriet auch der Bauplan in Vergessenheit.
Das Grundstück des Stadtparks befand sich einst im Privatbesitz der Textilfabrikanten-Familie Surmann. Nach unrechtmäßiger Enteignung während der DDR-Zeit erhielten die Erben das Grundstück nach der politischen Wende zurück. Die Stadt Klingenthal schloss zunächst einen Pachtvertrag mit dem Eigentümer und kaufte das Grundstück schließlich im Jahr 2002. Von Oktober 2004 bis August 2005 wurde das Gelände samt Musikpavillon saniert und am 11. Juni 2005 seiner offiziellen Bestimmung übergeben. (XB)
Luftaufnahme im August 1929: Auf dem Grundstück rechts neben dem Marktplatz standen große Laubbäume. Das Gelände wurde als Privatgarten genutzt.
Bauplan mit Größenwahn: Das NSDAP-Gemeinschaftshaus hätte vom Rand des Markplatzes bis zum Parkplatz des Drogeriemarktes Rossmann gereicht. Für dieses Ausmaß hätte auch die umliegende Wohnbebauung abgerissen werden müssen (rot markiert).
Im Frühjahr 1956 begannen die Bauarbeiten für den Stadtpark samt Musikpavillon. Das Nationale Aufbauwerk der DDR initiierte den Bau.